Berliner Zeitung
Mit der Draisine durch die Uckermark
Die Bahnstrecke zwischen Templin und Prenzlau geht diese Woche wieder in Betrieb - bei einer Fahrt kann man zugleich die Natur erkunden
Ines Harmuth
Thomas Getzlaf, Besitzer des Bahnhofshauses im kleinen Beenz in der Nordwest-Uckermark, beschwert sich: "Viele fahren nach Los Angeles oder sonst wo hin und kennen noch nicht mal die Uckermark." Das wird sich bald ändern, denn am Mittwoch, dem 24. März, um 10 Uhr, wird die Bahnstrecke in Beenz wieder in Betrieb genommen - künftig können Touristen dort nachmachen, was sie nur aus Wildwestfilmen kennen: Mit einer Draisine Eisenbahngefühl pur erleben.
Zehn Jahre lang war auf der ehemaligen Eisenbahnstrecke in dem kleinen Ort nordöstlich von Berlin nichts los, der Zugverkehr seit dem Jahr 2000 eingestellt, die Gegend im Schlummerzustand. Doch dann kam Axel Pötsch, Geschäftsführer der Draisinenbahnen Berlin/Brandenburg, und mit ihm "wieder Leben in die Bude", sagt Getzlaf. Pötsch kaufte die komplette Eisenbahnstrecke vom Bahnhof Templin bis zum Bahnhof Prenzlau Vorstadt und nahm damit sein fünftes Draisinenprojekt im Bundesland in Angriff. Die Idee, eine alte Eisenbahnstrecke mit Draisinen wieder aufleben zu lassen, kommt ursprünglich aus Schweden, einem Land mit viel Natur. Dass sich dieses Konzept besonders in der Nordwest-Uckermark durchsetzt, ist verständlich. "Die Gegend hier ist wunderschön", schwärmt Thomas Getzlaf. Recht hat er. Die Landschaft der Uckermark wurde durch die letzten Eiszeiten geprägt. Man befindet sich inmitten einer hügeligen Endmoränenlandschaft mit mehr als 400 Seen, Wäldern und weiten Feldern.
Zwölf Mann Besatzung
Familie Getzlaf freut sich mit den Einwohnern auf die Eröffnung der Strecke, zu der es Sekt und kostenlose Draisinenfahrten geben wird. "Die Leute sind richtig heiß drauf", sagt Thomas Getzlaf und hat eine Anekdote parat: "Letztens waren hier drei Frauen, die sich die Handhebel-Draisine angeschaut haben. Die sagten: Oh geil! Fetzt ja! Dürfen wir im Mai mal nach Templin fahren mit der Bahn?" Kein Problem, so Getzlaf, tatsächlich traute er den Frauen aber nur eine Fahrt bis zum nahe gelegenen Übergang zu. Das wollten die Damen nicht ganz verstehen. "Die wollten wirklich losziehen - mit einer Handhebel-Draisine!", sagt Getzlaf.
Wenn man weiß, wie viel eine Handhebel-Draisine wiegt, versteht man, warum ihn das so verwundert hat. Das schwere Fahrzeug, auf dem bis zu zwölf Leute Platz haben, wiegt allein 800 Kilo. Mit Besatzung sogar mehr als anderthalb Tonnen. Man benötigt acht Mann, jeweils vier an einer Hebelseite, um die Draisine mittels Armkraft überhaupt voran bringen zu können. Sollten sich zwei Handhebel-Draisinen mal entgegenkommen, kann man sie nicht wie die leichten Fahrrad-Draisinen einfach anheben und aneinander vorbeitragen. Nein, es muss getauscht werden. Draisinenfahren verbindet. Wer lieber in kleinerer Gesellschaft durch die Gegend touren möchte, sollte sich eine der blauen Fahrrad-Draisinen ausleihen. Hier haben bis zu vier Fahrgäste Platz. Zwei treten an den Seiten ordentlich ins Pedal, zwei weitere können sich auf der urigen Holzbank zurücklehnen und die Fahrt genießen. Wer fair ist, wechselt ab und an den Platz.
Felder und Wälder
Noch kann man die 35 Kilometer lange Strecke nicht komplett befahren. Äste und Sandhaufen versperren den Weg südlich von Haßleben und müssen erst weggeräumt werden. "Wir müssen noch oft in den Busch, damit das ganz fertig wird", sagt Thomas Getzlaf. Er kümmert sich zusammen mit seiner Frau Carmen um die Instandhaltung der Strecke. 16 Kilometer stehen den Gästen inzwischen zur Verfügung. Fährt man zum Beispiel von Beenz nach Prenzlau Vorstadt, bekommt man auf zehn Kilometern einiges zu sehen. Zunächst geht es gemütlich über grüne Felder und Hügel. Nach zwei Kilometern durchfährt man ein kleines Wäldchen und kann auf den alten, verlassenen Bahnhof Groß Sperrenwalde sehen. Da kann Eisenbahnromantik aufkommen, alte Signalleuchten und der abblätternde Namenszug des roten Backsteingebäudes tragen zusätzlich zum Nostalgiegefühl bei. Nach einem weiteren Kilometer Fahrt hört man Wasser plätschern. Hier lohnt es sich, einmal von der Draisine abzusteigen. Denn nach etwa 100 Metern Fußweg kommt man an eine Holzbrücke, unter welcher "Der Strom" fließt. Die Brücke führt in ein kleines Wäldchen. Dort stehen noch die Grundmauern der Thies-orter Mühle. Neben dem verfallenen Gebäude befindet sich eine Lichtung, die zum Ausruhen und Picknicken einlädt. Die Thiesorter Mühle sei ein echter Erholungsplatz, sagt Thomas Getzlaf. Und er denkt dabei besonders an die gestressten "Nachbarn aus der Hauptstadt":"Wer aus Berlin kommt will Ruhe haben. Da fährt man dann hier her, nimmt sich 'ne Decke mit und das reicht." Auch Angeln ist möglich, denn der Strom ist ein Angelgewässer.
Grüne Stadt am Uckersee
Wieder bereit in die Pedale zu treten, macht man sich auf bis nach Prenzlau. Dort kann man die "grüne Stadt am Uckersee" mit ihrer historischen Stadtmauer, der mittelalterlichen Klosteranlage und dem Naherholungsgebiet "Kleine Heide" kennen lernen.
Wie man seine Draisinenfahrt gestaltet, bleibt einem selbst überlassen. Wer will, kann jederzeit aussteigen, die leichte Fahrrad-Draisine vom Gleis heben, neben der Strecke anschließen und dann die Gegend erkunden. Oder aber man gibt sich sportlich und fährt die ganze Strecke ab. "Will jemand das Geld fürs Fitnessstudio sparen, kann er gern mal von Prenzlau nach Templin und zurück fahren", so Getzlaf.
Namensgeber der Draisine war Karl Friedrich Freiherr Drais von Sauerbronn. Er schuf 1817 eine Laufmaschine und nannte sie "Draissienne". Diese war bereits mit Bremsen und Lenkung versehen, musste jedoch noch mit reiner Beinarbeit betrieben werden. Die Draisine diente lange Zeit als Eisenbahnfahrzeug zur Streckenkontrolle, auch heute setzt die Bahn noch Draisinen für Inspektionsfahrten ein - die modernen Fahrzeuge sind allerdings motorisiert.
Familie Getzlaf hat viele Ideen, wie man das Draisinenerlebnis noch attraktiver gestalten kann. Demnächst wird ein Schlafwagon an den Bahnhof gebracht. Diesen können die Gäste mieten und die Nacht in Beenz verbringen. Um das Frühstück wollen sich die Getzlafs selbst kümmern. Das Frühstücksei soll dabei aus der eigenen Hühnerzucht kommen. Auch ein Fahrradverleih ist geplant, mit dem die Gäste zum nahe gelegenen Sternhagener See oder zum Schloss Kröchlendorff fahren können.
Zunächst aber konzentriert sich das Ehepaar auf die Eröffnung der Strecke am kommenden Mittwoch. Auch am Ostersonntag erwarten die Getzlafs viele Besucher.
Start am Mittwoch
Einweihungsfeier: 24. März, 10 Uhr. Mit Sekt und kostenlosen Draisinenfahrten können Groß und Klein die neue Strecke in Beenz kennenlernen.
Ostern in Beenz: Am Ostersonntag ab 11.30 Uhr besucht der Osterhase Hoppel den Beenzer Bahnhof und versteckt für alle Kinder ein Osternest. Nach erfolgreicher Suche gibt es um 12 Uhr selbstgemachte Erbsensuppe und eine anschließende Draisinenfahrt. Wer noch in dem kleinen Ort verweilen möchte, ist zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Um Voranmeldung wird gebeten bis 31. März. Preis bei Voranmeldung: 9 Euro (inkl. Teilnahme am Programm), Tageskasse: 11 Euro
Preise: Fahrrad-Draisine (max. 4 Personen): Mo-Fr: 4 Stunden 25 Euro, ganztägig 39 Euro. Sa, So+Feiertags: 4 Stunden 29 Euro, ganztägig 45 Euro.
Handhebel-Draisine (maximal 12 Personen): Mo-Fr pro 3 Std. 99 Euro, Sa, So pro 3 Std. 129 Euro.
Um Voranmeldung wird gebeten unter den Nummern 033633/690 80 oder 0163/863 61 05 sowie per E-Mail unter vertrieb@draisinenbahn.de
www.templin-draisine.de
Strecke: Auf der Strecke von Templin nach Prenzlau (35 Kilometer) gibt es folgende Bahnhöfe: Templin, Templin Vorstadt, Fährkrug, Kreuzkrug, Mittenwalde, Haßleben, Birkenhain, Beenz (Ein/Aussteigepunkt), Groß Sperrenwalde, Thiesorter Mühle, Prenzlau Vorstadt.
Bisher befahrbar: Beenz- Prenzlau Vorstadt, Beenz-Haßleben.
Anfahrt: Über die B 109 zum Bahnhof Beenz
Heidereiterweg 4, 17291 Nordwestuckermark/Beenz
Auf Wunsch wird man vom Bahnhof Prenzlau abgeholt. Von Berlin-Hauptbahnhof fährt ein Intercity und ein Regional-Express.
Stand: 22.03.14